Mussten antike Helden gegen Drachen kämpfen, um ihr Heldentum zu beweisen, so genügte Kapitalisten bislang eine exorbitante Vermögensmehrung als Symbol des Erfolgs. Nunmehr könnte aber die Suche von Tech-Milliardären nach Unsterblichkeit das ultimative narzisstische Unterfangen werden, welches die Vorrangstellung der reichsten Menschen in der Gesellschaft festigt.
Die größten Helden der Geschichte litten unter ihrer Sterblichkeit. Sigmund Freud zitierte in seiner kleinen Schrift Zeitgemäßes über Krieg und Tod die Odyssee, wo die Seele des Achilles einbekennt, lieber als Taglöhner ohne Erbe und Wohlstand ein Feld zu bestellen, als im Totenreich eine Schar von Toten zu beherrschen. Das Heldenleben, welches Achilles ausgemacht hat, hätte er gerne aufgegeben, um wieder lebendig zu sein.1
Helden werden bewundert und beneidet. Wir wären gerne wie sie und haben doch Angst davor, den Preis für ein Heldentum zu bezahlen. Daher bleiben wir zumeist, wo wir sind, und begnügen uns damit, dass unsere Idole vorangehen.
Karl Marx meinte, dass die bürgerliche Gesellschaft unheroisch sei.2 Dieter Thomä folgte diesem Urteil. Ein Unternehmer mag noch so einer großen Sache anhängen, „immer muss er doch sicherstellen, dass er seine Schäfchen ins Trockene bringt. Der Kapitalist ist im besten Fall ein Pseudoheld.“3 Der Geschäftsmann will Geschäfte machen. Dies macht ihn zwangsläufig um einige Nummern kleiner als Helden es gemeinhin sind. Heroen sind keine Krämer, wenigstens sind sie es nicht ausschließlich. Es ist ein Pseudoheldentum, wenn es ohne Gefahren auskommt.
Der Kapitalismus mit seinem Versprechen von Wohlstand, basierend auf Profit und Privateigentum, reicht nicht aus, zur Beantwortung der großen Fragen menschlichen Daseins. Unsere Sterblichkeit zählt zu diesen ganz großen Themen. An diese Fragen zum Ganzen wagen sich nun Tech-Milliardäre wie Peter Thiel heran. Macht dies aus Pseudohelden nun Superhelden?
In einer „Broligarchie“ dominieren wenigstens „Superheldenerzählungen“, schreibt die US-amerikanische Soziologin Brooke Harrington.4 Es seien aber selbsternannte Helden, die meinen über dem Gesetz zu stehen. Ihre interessante Hypothese ist, dass die Oligarchie der Tech-Bros geeint werde durch eine feindselige Ablehnung von Besteuerung. Vermögensbesteuerung kann von Überreichen als Enteignung missverstanden werden. Dann stellt sie eine Kränkung des überreichen Individuums dar. Zudem erfolgt diese Kränkung durch einen verachteten Staat, der angetrieben wird von einem schwachen, aber gierigen Kollektiv. Die vermeintlich Tüchtigsten der Gesellschaft fühlen sich in Folge fiskalisch geschmäht.
Milliardären mag Heldentum von ihren unzähligen Bewunderern zugestanden werden, doch die Milliardäre müssten insgeheim einbekennen, dass sie, wenn sie von Risiko sprechen, ihre Veranlagungen und deren schwankende Rendite meinen. Und wenn sie sich Wagniskapitalisten nennen, zielen sie nur auf Marktnischen. Sie muten anderen Gefahren zu, aber selbst haben sie den Staat als Verbündeten an ihrer Seite. Dieser bleibt ihnen und ihrem Vermögen in Krisen gegenüber loyal. Kämen ihre Unternehmungen etwa in einer AI-Blase in eine Schieflage, würde der Staat einspringen, wie er es in der Finanzkrise 2008 getan hat.
Tech-Milliardäre faszinieren auf eine andere Art als antike Helden. Mit technologischen Innovationen wollen sie den Tod besiegen. Aus der Science-Fiction Literatur finden Heldenträume, finanziert von Überreichen, ihren Weg zurück in ambitionierte Projekte zur Langlebigkeit und sogar Unsterblichkeit. Die Unvermeidlichkeit des Todes wird etwa von Peter Thiel hierbei als Ideologie zurückgewiesen. Er begnügt sich nicht mit dem üblichen Geschäftemachen im Kapitalismus, sondern es geht ihm um viel mehr. Er mischt sich prophetenhaft in öffentliche Debatten ein. Staat, Kollektiv und Tod zählt er explizit zu seinen Feinden.
Solange wir sterben müssen, steht für Helden alles auf dem Spiel. Historisch sollte ein Typus von Menschen sein Heldentum durch Mut beim Sterben beweisen. Dies war der rote Held. So pathetisch formulierte es der marxistische Philosoph Ernst Bloch in seinem Hauptwerk Das Prinzip Hoffnung. Rote Helden „hielten sich vor dem Galgen des Klassenfeindes aufrecht“. Diese Haltung kenne keinen Trost außer „eingeschreint zu bleiben im Herzen der Arbeiterklasse“. Dass Menschen aufrecht sterben sollen, als wäre die Ewigkeit ihnen eigen, ist eine idealistische Idee. Keine metaphysische Unsterblichkeit winkt diesen Solitären, kein Wiedersehen im Jenseits mit geliebten Menschen und auch kein Trost durch ein unsterbliches Werk tröstet. Und der Gedanke, dass spätere Generationen keinen gewalttätigen Tod sterben werden müssen, beruhigt wohl auch nicht. Der Kommunismus hatte eines seiner größten Probleme im nicht vorhandenen Kraut gegen den Tod. Die Utopie der kommunistischen Gesellschaft hätte von einem endlichen solidarischen Bewusstsein geprägt sein sollen.
Die gefeierte Tugend des Mutes kann zudem von jedweder politischen Bewegung für sich beansprucht werden. In Zusammenhang mit dem Tod impliziert ihre Propagierung eine gefährliche Überhöhung des Opfertodes. Im spanischen Faschismus lautet der falangistische Kampfruf Viva la muerte. Es ging um Todesverachtung zur Bekämpfung der eigenen Todesangst und um eine Absicherung der Bereitschaft zum Töten.
Sigmund Freud mochte an sich selbst die Eigenschaft, die Wahrheit ohne Rücksicht auf ihre Folgen zu suchen. Und diesen Mut erwartete er auch von anderen Personen aus seinem Umfeld. Als Anton von Freund, Generalsektretär der Psychoanalytischen Vereinigung, 1920 starb schrieb Freud über ihn in einem Brief: „Er hat seine Hoffnungslosigkeit mit heldenhafter Klarheit ertragen, der Analyse keine Schande gemacht.“5 Und der Leibarzt von Sigmund Freud, Max Schur, bestätigte, „daß nach Freuds Meinung das Ertragen von Leiden und Tod ‚mit heldenhafter Klarheit‘ die Pflicht eines jeden war, der durch die Analyse gelernt haben sollte, angesichts dieser äußersten Probe seine Angst zu beherrschen.“6
Dies ist ein individueller Weg mit Endlichkeit und Todesangst umzugehen. Sigmund Freud hat ihn auch selbst vorgelebt, Aber diesen Umgang anderen Menschen zu empfehlen, würde missachten, dass Menschen verschieden sind.
Der Kapitalismus schuf eine Warenwelt des Überflusses und trug zur Tabuisierung des Todes bei. Denn Gedanken an den Tod und unsere Endlichkeit relativieren die Bedeutung des kapitalistischen Hamsterrades.
Aber auch Pseudohelden im Kapitalismus erlauben uns, Fantasien zu leben. Die Tech-Milliardäre ragen heraus, weil sie fast alles haben. Die Vorstellung, mit einer Rakete zum Mars zu reisen, kann enthusiasmieren. Luxus im Leben fasziniert viele und die Macht, die eigenen Wünsche Wirklichkeit werden zu lassen ist ein Aphrodisiakum. Während Armut und Reichtum uns im Leben trennen, ist die Sehnsucht nach Unsterblichkeit ein potentiell einendes Thema. Bereits das Bekämpfen des Alterns könnte Überreichen eine paternalistische Vorreiterrolle für gemeinsame Belange in der Gesellschaft bringen. Daher wäre es die ultimative Machtposition, welche Überreiche mit der Unsterblichkeit erlangen könnten.
Doch die Suche nach digitalisierter Unsterblichkeit speist sich aus Wünschen nach Größe. Heldentum ist aber strikt vom grandiosen Größenselbst von Narzissten zu unterscheiden. Unser Leid und unsere Verluste geliebter Menschen werden in infantilen Science-Fiction-Fantasien von digitalisierter Unendlichkeit nicht aufgehoben. Letztlich belegen all diese Bemühungen zur Abschaffung der Sterblichkeit nur den Narzissmus von überreichen Menschen, welche ihre eigene Todesangst durch Träume von Grandiosität und Beziehungslosigkeit zu bekämpfen suchen. Ihre Unsterblichkeitsfantasien sollen dazuführen ihren Überreichtum und ihren Machtzuwachs zu rechtfertigen.
Thomä definierte demokratische Helden in seinem Plädoyer für einen zeitgemäßen Heroismus so: „Sie heben sich heraus im Kampf gegen Erniedrigung, riskieren etwas – oder gar sich selbst – für Frieden, Freiheit und Gleichheit.“7 In diesem Sinn werden Milliardäre nie Helden werden. Sie faszinieren Menschen nur, weil sie Macht haben, während diese sich ohnmächtig fühlen.
1 Sigmund Freud, Zeitgemäßes über Krieg und Tod, Stuttgart, 2022, 35.
2 Karl Marx, Der achtzehente Brumaire des Louis Bonaparte (Kap.I)
3 Dieter Thomä, Warum Demokratien Helden brauchen, Berlin, 2019, 98.
4 Brook Harrington, Die kommende Broligarchie, Blätter für deutsche und internationale Politik, Januar 2025.
5 Sigmund Freud, Brief an Eitington, zitiert in Max Schur, Sigmund Freud: Leben und Sterben, Frankfurt am Main, 1982, 379.
6 Ebd.
7 Thomä, Warum Demokratien Helden brauchen, 233.
Martin Schürz ist Volkswirt und Psychotherapeut. 2025 war er Gast am IWM.
