Auf Basis von sozialpsychologischen Ansätzen und Überlegungen von Sigmund Freud zum Tod untersucht Martin Schürz, wie Vermögenskonzentration, Endlichkeit und Unsterblichkeitsprojekte zusammenhängen. Sigmund Freud ging davon aus, dass das Unbewusste den Tod nicht kennt. Andererseits verhindere die Todesangst wichtige, aber riskante Unterfangen. Und letztlich gehe es darum, das endliche Leben zu ertragen.
Eine boomende Langlebigkeitsindustrie, Startups zur Erforschung von Unsterblichkeit und Meinungsbeiträge von Tech-Milliardären weisen jedoch in eine andere Richtung. Selbst Überreichtum scheint für einige Menschen kein hinreichendes Ziel im Leben zu sein. Sie greifen nach der Unendlichkeit des Weltraums und streben persönliche Unsterblichkeit an. Für reiche Menschen ist der Tod hierbei wohl die ultimative narzisstische Kränkung, da er alle gleichmacht. Die Mächtigsten unter ihnen wollen ihn nun besiegen.
Es sind auch die Überreichen, welche heute noch verbliebene Utopien zu einer gerechten Gesellschaft in Richtung technologischer Dystopien verwandeln. Doch ein naiver Techno-Optimismus, ein Fokus auf die ferne Zukunft, muss von der Hoffnung auf ein menschenwürdiges endliches Leben abgegrenzt werden. Das Streben nach einem besseren fällt nicht mit jenem nach einem längeren Leben zusammen – und schon gar nicht mit der Suche nach der Unsterblichkeit. Die Utopie der Unsterblichkeit speist sich aus einer narzisstischen Fantasie von Grandiosität, Wünschen nach sozialer Distanz und einer elementaren Angst vor dem Tod.
Martin Schürz ist Ökonom und Psychotherapeut. Er arbeitet im Ambulatorium die Boje mit komplex traumatisierten Kindern und Jugendlichen. Als Ökonom forscht er seit mehr als einem Vierteljahrhundert zu Vermögensungleichheit. Er ist Gruppenleiter des Economic Microdata Lab im Forschungsreferat der Österreichischen Nationalbank. 2015 erhielt er den Progressive Economy Award des Europäischen Parlaments (gemeinsam mit Pirmin Fessler). Für sein Buch Überreichtum, erschienen 2019 im Campus Verlag, erhielt er den Bruno-Kreisky-Preis für das politische Buch. Bei Zsolnay erschien 2022 sein letztes Buch Angst und Angstmacherei. Für eine Wirtschaftspolitik, die Hoffnung macht (gemeinsam mit Markus Marterbauer). In seinem aktuellen Buchprojekt beschäftigt sich Schürz mit den Unsterblichkeitsfantasien von Tech-Milliardären.
Misha Glenny, IWM Rektor, moderiert das Gespräch.