Reden wir über Reinheit: Normen, Körper, Bilder

Lecture I: Reine Ursprünge
Lecture

Rein” ist nicht dasselbe wie “sauber”. Rein (“puro”, “pure”) ist nicht geputzt (“pulito”, “clean”), sondern ein Zustand ursprünglicher Unbeflecktheit, der durch seine eigene Geschichte definiert wird. Reinheit kann nicht nach Belieben wiederhergestellt werden, sondern ist durch ihre Knappheit, ihre fragile Natur und ihr Bedrohtsein definiert. Reinheit ist imaginär, aber im christlichen Europa zwischen dem 14. und dem 20. Jahrhundert eine ausserordentlich machtvolle religiöse und moralische Kategorie – und das ist sie bis heute geblieben. Mit welchen Mitteln wurde und wird Reinheit wirksam, sichtbar und nachvollziehbar gemacht?

Lecture I: Reine Ursprünge

Im ersten Teil meiner Vortragsreihe möchte ich den Begriff “Reinheit” und seine Verwendung aus historischer Perspektive untersuchen. Wenn von Reinheit und Befleckung die Rede ist, dann geht es nie nur um Schmutz als “Dinge am falschen Ort”, wie Oscar Wilde das so geistreich definiert hat, sondern immer auch um religiöse, sexuelle und soziale Codes – um kollektive Ordnungssysteme. Vorstellungen von Reinheit, so Mary Douglas in ihrer klassischen Studie “Reinheit und Gefährdung”, seien nie nur Ausdruck von Erfahrungen, sondern immer auch Instrumente, um Wahrnehmungen zu systematisieren und innerhalb einer Gemeinschaft zu synchronisieren, also Schemata von Ordnungen durchzusetzen und zu verstärken. Seit den gelehrten Mönchen des Hochmittelalters haben die Institutionen der Wissensproduktion – allen voran die Universitäten – besondere Kriterien von Reinheit für sich in Anspruch genommen und als Normen definiert; einerseits in Bezug auf den Umgang mit Sexualität, andererseits durch scharfe Abgrenzung von privatem Profitstreben. Diese Regeln waren von Beginn an viel eher als ein Set rhetorischer Instrumente zur Selbstdarstellung als reale handlungsleitende Normen; aber sie haben lang anhaltende Wirkungen entfaltet, bis heute – und um diese schmutzige Ideengeschichte geht es mir.

Valentin Groebner ist ein österreichischer Historiker für mittelalterliche Geschichte.
Er studierte in Wien, Marburg und Hamburg und promovierte 1991 in Bielefeld. Er war Assistent am Historischen Seminar der Universität Basel und hat sich 1998 an der Universität Basel habilitiert.
1996/97 war er Fellow am Berliner Wissenschaftskolleg, 1999 Jean Monnet-Fellow am Europäischen Hochschulinstitut Florenz, 1999/2000 Visiting Professor am Department of History of Art an der Harvard University und im Frühjahr 2001 professeur invité an der Ecole des Hautes Etudes en Sciences Sociales in Paris. 1999 bis 2001 war Mitglied der Arbeitsgruppe “The Moral Authority of Nature” und im Sommer 2001 Visiting Fellow am Max Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte in Berlin; seither hat er verschiedene Lehraufträge in der Schweiz und den USA innegehabt.
Seit März 2004 lehrt er als Professor für Geschichte des Mittelalters und der Renaissance an der Universität Luzern. Im Frühjahr 2014 war er Gastwissenschaftler im Forschungsprojekt „Bild-Evidenz“ der FU Berlin. Er ist Mitglied der Schweizerischen Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialgeschichte.

Lecture II: Reine Körper
19. Juni, 2018, 18:00 Uhr

Lecture III: Reine Anschauung
26. Juni, 2018, 18:00 Uhr

Agenda

Rein” ist nicht dasselbe wie “sauber”. Rein (“puro”, “pure”) ist nicht geputzt (“pulito”, “clean”), sondern ein Zustand ursprünglicher Unbeflecktheit, der durch seine eigene Geschichte definiert wird. Reinheit kann nicht nach Belieben wiederhergestellt werden, sondern ist durch ihre Knappheit, ihre fragile Natur und ihr Bedrohtsein definiert. Reinheit ist imaginär, aber im christlichen Europa zwischen dem 14. und dem 20. Jahrhundert eine ausserordentlich machtvolle religiöse und moralische Kategorie – und das ist sie bis heute geblieben. Mit welchen Mitteln wurde und wird Reinheit wirksam, sichtbar und nachvollziehbar gemacht?

Lecture I: Reine Ursprünge

Im ersten Teil meiner Vortragsreihe möchte ich den Begriff “Reinheit” und seine Verwendung aus historischer Perspektive untersuchen. Wenn von Reinheit und Befleckung die Rede ist, dann geht es nie nur um Schmutz als “Dinge am falschen Ort”, wie Oscar Wilde das so geistreich definiert hat, sondern immer auch um religiöse, sexuelle und soziale Codes – um kollektive Ordnungssysteme. Vorstellungen von Reinheit, so Mary Douglas in ihrer klassischen Studie “Reinheit und Gefährdung”, seien nie nur Ausdruck von Erfahrungen, sondern immer auch Instrumente, um Wahrnehmungen zu systematisieren und innerhalb einer Gemeinschaft zu synchronisieren, also Schemata von Ordnungen durchzusetzen und zu verstärken. Seit den gelehrten Mönchen des Hochmittelalters haben die Institutionen der Wissensproduktion – allen voran die Universitäten – besondere Kriterien von Reinheit für sich in Anspruch genommen und als Normen definiert; einerseits in Bezug auf den Umgang mit Sexualität, andererseits durch scharfe Abgrenzung von privatem Profitstreben. Diese Regeln waren von Beginn an viel eher als ein Set rhetorischer Instrumente zur Selbstdarstellung als reale handlungsleitende Normen; aber sie haben lang anhaltende Wirkungen entfaltet, bis heute – und um diese schmutzige Ideengeschichte geht es mir.

Valentin Groebner ist ein österreichischer Historiker für mittelalterliche Geschichte.
Er studierte in Wien, Marburg und Hamburg und promovierte 1991 in Bielefeld. Er war Assistent am Historischen Seminar der Universität Basel und hat sich 1998 an der Universität Basel habilitiert.
1996/97 war er Fellow am Berliner Wissenschaftskolleg, 1999 Jean Monnet-Fellow am Europäischen Hochschulinstitut Florenz, 1999/2000 Visiting Professor am Department of History of Art an der Harvard University und im Frühjahr 2001 professeur invité an der Ecole des Hautes Etudes en Sciences Sociales in Paris. 1999 bis 2001 war Mitglied der Arbeitsgruppe “The Moral Authority of Nature” und im Sommer 2001 Visiting Fellow am Max Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte in Berlin; seither hat er verschiedene Lehraufträge in der Schweiz und den USA innegehabt.
Seit März 2004 lehrt er als Professor für Geschichte des Mittelalters und der Renaissance an der Universität Luzern. Im Frühjahr 2014 war er Gastwissenschaftler im Forschungsprojekt „Bild-Evidenz“ der FU Berlin. Er ist Mitglied der Schweizerischen Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialgeschichte.

Lecture II: Reine Körper
19. Juni, 2018, 18:00 Uhr

Lecture III: Reine Anschauung
26. Juni, 2018, 18:00 Uhr