The Head of the Central Election Commission of Belarus: “Tikhanovskaya’s address was recorded in my cabinet”

Chronicle from Belarus

August 16, 2020 on Radio Svoboda
Original text with video on svoboda.org
Translated to English by Stephan Sveshnikov
German Translation below

In an interview given to Komsomolskaya Pravda Belarus, Ermoshina practically confirmed the accounts given by Tikhanovskaya’s supporters about the circumstances of the recording of that address, which they called the result of blackmail and pressure. According to the head of the TsIK, the opposition candidate came to her on the 11th of August to bring a complaint against the official results of the presidential election. “We invited her into my cabinet, because there wanted to meet with her, let’s say, two senior law enforcement officers. I introduced them, she stayed alone with a lawyer and with them. And I left,” said Ermoshina. 

Tikhanovskaya’s lawyer denied being in the cabinet during the conversation of the candidate with the law enforcement personnel. He says that during that entire time — several hours — he was in the waiting room of the head of the TsIK. 

Several hours after these events, Tikhanovskaya left Belarus for Lithuania. She released another address in which she explained that she had “left to visit the kids.” As for the video recording in which she reads a request to stop the protests, it was published for the first time by a pro-governmental Telegram channel. Even in that address there are no words recognizing the victory of Aleksandr Lukashenko. 

On August 14, Tikhanovskaya, whose supporters claim that she received the majority of the votes in the August 9 election, gave a new address — she called for mass protests on the 15th and 16th of August. An appeal from her name was also published, calling for the creation of a Coordinating Council for a peaceful transfer of power. 

On the eve before, the official results of the elections were announced, according to which Lukashenko received more than 80 percent of the votes. Participants of the protests, which are happening in tens of cities in Belarus, [including] at factories and other institutions, consider these results to be falsified. In the words of Ermoshina, Tikhanovskaya’s official complaints against the results of the election were dismissed. In her very words: “After all we don’t have a choice. If people think that we will take a second look and give the victory to Tikhanovskaya — that doesn’t happen. If we find irregularities, as they believe, then in that case the election can be declared null and void. That means that within three months there would have to be a new election campaign with new candidates.” The events in Minsk and other cities she considers to be an attempt at a “colour revolution.”

Die Vorsitzende der Zentralen Wahlkommission von Belarus: Tichanowskajas Appell wurde in meinem Büro aufgezeichnet.

16. August, 2020 auf Radio Svoboda
Übersetzung: Martin Malek

Die Leiterin der Zentralen Wahlkommission von Belarus, Lidija Jermoschina, bestätigte, dass der Appell der Präsidentschaftskandidatin Swetlana Tichanowskaja, in dem sie zur Beendigung der Straßenproteste aufrief, in ihrem Büro in Anwesenheit von zwei hochrangigen Mitarbeitern der Rechtsschutzbehörden aufgezeichnet wurde.

In einem Interview mit der “Komsomolskaja Prawda Belarus” bestätigte Jermoschina tatsächlich die Berichte von Anhängern Tichanowskajas über die Umstände der Aufzeichnung dieses Appells, den sie als Ergebnis von Erpressung und Druck bezeichnet hatten. Nach Angaben der Vorsitzenden der Zentralen Wahlkommission kam die Oppositionskandidatin am 11. August zu ihr, um eine Beschwerde gegen das offizielle Ergebnis der Präsidentschaftswahlen [dem zufolge Amtsinhaber Alexander Lukaschenko siegreich war, Anm. d. Übers.] einzureichen. “Wir luden sie in mein Büro ein, da sich zwei hochrangige Mitarbeiter der Rechtsschutzorgane mit ihr treffen wollten. Ich stellte sie vor, sie blieb mit einem Anwalt bei ihnen. Und ich bin gegangen”, sagte Jermoschina.

Tichanowskajas Anwalt bestritt, sich während des Gesprächs der Kandidatin mit den Mitarbeitern der Rechtsschutzorgane im Büro [Jermoschinas, Anm. d. Übers.] aufgehalten zu haben. Er sagte, dass er die ganze Zeit – ein paar Stunden – im Empfangsraum der Vorsitzenden der Zentralen Wahlkommission war.

Wenige Stunden nach diesen Ereignissen verließ Tichanowskaja Belarus und fuhr nach Litauen. Sie veröffentlichte einen weiteren Appell, in dem sie erklärte, “zu den Kindern gefahren” zu sein. Jene Aufzeichnung, in der sie eine Aufforderung zur Beendigung der Proteste verliest, wurde zuerst von einem regierungsnahen anonymen Telegram-Kanal verbreitet. Aber sogar hier fällt kein Wort über eine Anerkennung [Tichanowskajas] des Sieges von Alexander Lukaschenko.

Am 14. August rief Tichanowskaja – deren Anhänger behaupten, dass sie bei den Wahlen am 9. August die Mehrheit der Stimmen erreicht hat – für den 15. und 16. August zu Massenprotesten auf. Außerdem wurde in ihrem Namen ein Aufruf zur Schaffung eines Koordinierungsrates für einen friedlichen Machtwechsel veröffentlicht.

Am Tag zuvor war das offizielle Wahlergebnis verlautbart worden, das Lukaschenko mehr als 80% der Stimmen zusprach. Die Teilnehmer der Protestaktionen, die in Dutzenden von belarussischen Städten, Industriebetrieben und Institutionen stattfinden, halten diese Ergebnisse für gefälscht. Laut Jermoschina wurden offizielle Einsprüche Tichanowskajas gegen das Wahlergebnis zurückgewiesen. Erstere sagte wörtlich: “Wir haben keine andere Wahl. Wenn die Leute glauben, dass wir es uns noch einmal überlegen und Tichanowskaja den Sieg zusprechen, dann irren sie sich. Wenn – wie sie [die Oppositionellen, Anm. d. Übers.] glauben – Verstöße festgestellt werden, kann die Wahl für null und nichtig erklärt werden. Das bedeutet, dass innerhalb von drei Monaten ein neuer Wahlkampf mit neuen Kandidaten durchgeführt wird.” Sie [d.h. Jermoschina] betrachtet die Ereignisse in Minsk und anderen Städten als Versuch einer “bunten Revolution” [zum Sturz Lukaschenkos].