Jewgenij Kaljukow: Tichanowskaja kündigte den Beginn der Schaffung eines Rates zur Machtübergabe an

18.09.2020
Chronicle from Belarus
Authors:
Jewgenij Kaljukow

Laut Tichanowskaja sollen dem Rat Vertreter aller Verbände angehören, die [in Belarus, Anm. d. Übers.] an Dialog und friedlicher Machtübergabe interessiert sind – Arbeitskollektive, Parteien, Gewerkschaften usw.

Die Rivalin Alexander Lukaschenkos bei den Präsidentschaftswahlen Swetlana Tichanowskaja kündigte die Einleitung des Verfahrens zur Schaffung eines Koordinierungsrates an, der die Machtübergabe im Land sicherstellen soll. “In Anbetracht der Ereignisse im Land und der Notwendigkeit, dringende Maßnahmen zur Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit in Belarus zu ergreifen, initiiere ich, Swetlana Tichanowskaja, die Schaffung eines Koordinierungsrates, um die Machtübergabe sicherzustellen”, heißt es in dem Bericht, der im Telegramkanal des vereinigten Pressedienstes von Tichanowskaja, Viktor Babariko und Valeri Tsepkalo[1] veröffentlicht wurde.

Tichanowskaja sagte, dem Rat sollten Vertreter aller Verbände angehören, die an Dialog und friedlicher Machtübergabe interessiert sind – Arbeitskollektive, Parteien, Gewerkschaften usw. “Wir brauchen wirklich ihre Hilfe und Erfahrung. Wir brauchen ihre Verbindungen, Kontakte, ihren Expertenrat und ihre Unterstützung”, wandte sich Tichanowskaja an diese Organisationen und bat gleichzeitig die internationale Gemeinschaft, bei der Organisation eines Dialogs mit den belarussischen Behörden zu helfen.

Gleichzeitig forderte sie die belarussischen Strafverfolgungsbehörden auf, den ihnen erteilten kriminellen Befehlen nicht zu befolgen und das Blutvergießen zu stoppen. “Es war sehr schwer für mich, die Gewalt zu sehen, mit der die Behörden unsere Städte in der vergangenen Woche heimgesucht haben. Das darf nie wieder passieren. Die Behörden müssen ihre Bereitschaft zum Dialog mit dem Volk zeigen. Das bedeutet die Freilassung aller Gefangenen. Es bedeutet, den OMON [Bereitschaftspolizei, Anm. d. Übers.] und die Truppen von den Straßen der Städte zu holen. Es bedeutet, ein Strafverfahren gegen diejenigen zu eröffnen, die den verbrecherischen Befehl gaben, Menschen zu schlagen und zu erschießen”, sagte Tichanowskaja.

Am Abend zuvor, dem 13. August, hatten die Präsidenten von vier Ländern – Estland, Polen, Litauen und Lettland – Lukaschenko aufgefordert, der Gewalt gegen die Bürger seines eigenen Landes abzuschwören und ihre Vermittlung für einen friedlichen Ausweg aus der Krise anzunehmen. In ihrer Ansprache forderten die Präsidenten unter anderem die Einrichtung eines Runden Tisches zur nationalen Versöhnung, der sich aus Vertretern der Behörden [d.h. Lukaschenkos, Anm. d. Übers.] und der Zivilgesellschaft zusammensetzt.

Die Proteste in ganz Belarus hatten nach der Bekanntgabe der vorläufigen Ergebnisse der Präsidentenwahl begonnen. Nach Angaben der Zentralen Wahlkommission wurde sie vom amtierenden Staatschef Alexander Lukaschenko gewonnen, der mehr als 80% der Stimmen erhalten haben soll. Seine Hauptrivalin, die Oppositionskandidatin Swetlana Tichanowskaja, erhielt etwas mehr als 10% der Stimmen. Anhänger von Tichanowskaja warfen den Behörden des Landes Wahlmanipulation vor. Nach Schätzungen ihrer Mitarbeiter hatte Tichanowskaja 70 bis 80% der Stimmen erhalten.

Am Freitag, dem 14. August, gab die belarussische Wahlkommission jedoch die endgültigen Ergebnisse der Wahlen bekannt. Es gab keine grundlegenden Änderungen – Lukaschenko wurde zum Wahlsieger erklärt, für den [offiziell] 80,1% der Wähler, die in die Wahllokale gekommen waren, ihre Stimme abgaben.

[1] Babariko und Tsepkalo waren von der Kandidatur bei den Präsidentenwahlen von den Behörden ausgeschlossen worden, Anm. d. Übers.

 

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