Vordenker und Freund des IWM. In memoriam Kurt Biedenkopf

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Kurt Biedenkopf talking at a conference

Am 12. August starb Kurt Biedenkopf. Er war langjähriges Mitglied im Kuratorium des IWM und dem Institut seit den Anfangsjahren als Freund und Ratgeber verbunden. In den Nachrufen dieser Tage wird er gewürdigt als eine der politischen Leitfiguren des wiedervereinigten Deutschlands. 1990 wurde er zum ersten Ministerpräsidenten des Freistaates Sachsen gewählt und übte dieses Amt für drei lange – und entscheidende – Legislaturperioden bis zum Jahr 2002 aus. Seine wiederholten Wahlsiege und der unbedingte politische Gestaltungswille trugen ihm in Dresden den Beinamen „König Kurt“ ein.

Biedenkopf, ausgebildeter Jurist, war aber auch ein Intellektueller und unbequemer Vordenker, der eher der wissenschaftlichen Analyse als dem politischen Instinkt vertraute. Mit seiner darauf gegründeten Meinung hielt er nicht zurück und scheute auch nicht den Konflikt mit der eigenen Partei. Schon in jungen Jahren war er an der Ruhr-Universität Bochum zum Hochschulrektor gewählt worden. Diesem akademischen Milieu blieb er zeitlebens verpflichtet, und seine intellektuelle Neugierde trieb ihn auch als Politiker zuverlässig über die engen Grenzen des politischen Betriebs hinaus. Es war gerade diese Rolle, in der sich Biedenkopf dem IWM als Institution und ganz persönlich auch seinem Gründer Krzysztof Michalski verbunden fühlte.

Schon im Juni 1989 war Biedenkopf Teilnehmer der vom IWM organisierten Konferenz „How Can the West Facilitate the Development of Markets in the Eastern Bloc?“ Wie schnell sich diese politischen und ökonomischen Wandlungen vollziehen würden, konnte damals niemand wissen. Doch schon ein Jahr später, im Juli 1990, nahm Biedenkopf an einer großen Konferenz des IWM teil, die nun schon den zuversichtlichen Titel „Central Europe on the Way to Democracy” trug. Im Oktober desselben Jahres wurde er dann mit absoluter Mehrheit zum sächsischen Ministerpräsidenten gewählt. Auch in seinem neuen Amt blieb Biedenkopf dem IWM eng verbunden.

Im Dezember 1995 war er Gast auf dem Fourth Central European Forum und sprach in seiner Keynote zum Thema „The Role of Social Welfare in Democratic Society“. 2006  nahm er teil an einer Konferenz zu “Cultural and Political Conditions for the Reform of Social Models in Europe and the US". Regelmäßig war er Gast des Instituts, und unvergessen bleibt mir persönlich ein Vortrag in der Institutsbibliothek, in dem er sich eindringlich mit den Folgen des demografischen Wandels für das Funktionieren der Demokratie befasste. Biedenkopf war vielleicht einer der ersten Politiker, der sich ernsthaft mit diesem Zukunftsthema auseinandersetzte.   

Seine Rolle nach der deutschen Wiedervereinigung ist unbestritten. Biedenkopf war aber ebenso ein überzeugter Europäer. Sein Interesse und Engagement galten insbesondere auch der Zukunft der erweiterten Union. Und so fungierte er denn auch als wichtiger Impulsgeber für die auf Initiative von Romano Prodi im Jahr 2002 vom IWM ins Leben gerufene Reflection Group on the Spiritual and Cultural Dimension of Europe.

Wer Kurt Biedenkopf noch einmal in seiner ganz eigenen, intellektuell abwägenden und doch bestimmten Art des Sprechens erleben will, dem sei dieses kurze Plädoyer für die soziale Marktwirtschaft  empfohlen, das er 2007 anlässlich des 25. Jubiläums des IWM hielt.

Wir werden ihn vermissen.

Ludger Hagedorn