24. Januar 2014
Viele im Westen stellen derzeit Fragen zur Beteiligung der ukrainischen Ultranationalisten an den Euromaidan-Protesten in Kiew. Manche angeblich linken Websites – wie zum Beispiel die „World Socialist Web Site“ – verbreiten dreiste Lügen über die Euromaidan-Proteste und die Rolle, welche die extreme Rechte dabei spielt. Diese Websites versuchen die russischen Imperialisten, die alles ihnen Mögliche tun, um die Ukraine ihrer bereits geschwächten Unabhängigkeit zu berauben, zu verharmlosen.
Gegenwärtig sind es zwei Dinge, die der Westen über die ukrainischen Ultranationalisten im Kontext des Euromaidan verstehen sollte.
1. Wie ich bereits in meinem Artikel „Die ukrainische Revolution ist europäisch und national“ (im Original: „The Ukrainian revolution is European and national”) schrieb, ist der Euromaidan – unter anderem – eine nationale Revolution gegen dem Kreml-Imperialismus und eine nationalistische Erhebung gegen den destruktiven Einfluss Russlands auf die Ukraine. Den Hauptanteil an Unterstützung bekommen die ukrainischen Rechtsextremen von jenen Bürgern, die ohne rechtsextreme Ansichten zu teilen auf eine wirkliche Unabhängigkeit der Ukraine drängen. Das bedeutet, dass eine Neutralisierung der extremen Rechte erst möglich ist, nachdem die Ukraine ihre nationale Unabhängigkeit erreicht hat. Die extreme Rechte wird durch die konstante Gefährdung der ukrainischen Souveränität genährt undweniger durch das vermeintliche Anwachsen rechtsextremer Ansichten in der ukrainischen Gesellschaft. Wie Roger Griffin in seinem „Modernism and Fascism“ schrieb, können insbesondere „Okkupation, Kolonialisierung oder [einer Gesellschaft] durch andere Gesellschaften aufgezwungene Aggressionsakte“ (im Original: „‚ occupation, colonization, or acts of aggression inflicted on [a society] by other societies‘(p. 104) “) zu einem Aufstieg des Faschismus führen. Folglich sollte ein Kampf gegen den Faschismus in der Ukraine immer einhergehen mit dem Kampf gegen Versuche, das Land zu kolonialisieren. Diejenigen, die diese zwei Themen voneinander trennen oder hart gegen die ukrainische extreme Rechte vorgehen, ohne die dringende Notwendigkeit einer nationalen Unabhängigkeit zu erkennen, werden in ihren Versuchen, die extreme Rechte zu neutralisieren, niemals erfolgreich sein. Mehr noch: Sie können die Lage verschlimmern.
2. Die ukrainische extreme Rechte hat in der Tat Gewalt gegen Wiktor Janukowitschs korruptes, autoritäres Regime und die brutale Polizei, die Protestierende misshandelt und foltert, unterstützt und angewandt. Aber sie ist nicht die einzige gewaltbereite Kraft des Euromaidan. Zu ihr gesellen sich Linke und Demokraten, die aufgrund ausbleibenden Erfolgs eines gewaltlosen Widerstands gegen das Abgleiten des Landes in eine absolute Diktatur radikalisiert worden sind. Die Mehrheit der Protestierenden, die sich in die bitterkalten Straßen Kiews aufmachen, ist Janukowitschs zynische Missachtung ihrer Forderungen überdrüssig und voller Zorn über die Brutalität der Polizei. Ihre Radikalisierung ist eine kummervolle Antwort auf die Politik und die Aktionen des Regimes, welche den Anstoß für einen Nichtangriffspakt zwischen ukrainischen Links- und Rechtsextremen gaben, und die nun auf derselben Seite der Barrikaden stehen. Diejenigen Kommentatoren, welche die Gewalt auf dem Euromaidan ausschließlich mit der extremen Rechten in Zusammenhang bringen, verharmlosen die Gründe der Radikalisierung der Euromaidan-Proteste und entlasten – freiwillig oder unfreiwillig – Janukowitschs autoritäres Regime.
Anton Shekhovtsov ist Visiting Research Fellow an der University of Northampton und Redakteur der Reihe „Explorations of the Far Right“, die beim ibedem-Verlag in Stuttgart erscheint (http://www.ibidemverlag.de/Reihen-Schriftenreihen-Institutsreihen/EFR/). Von September 2012 bis Juni 2013 war er Junior Visiting Fellow am IWM.
Übersetzung aus dem Englischen: Thomas Meyer
Quelle: http://anton-shekhovtsov.blogspot.co.at/2014/01/what-west-should-know-about-euromaidans.html (Abgerufen am 24.01.2014)